Freiheit – darum dreht sich alles

von Merlin Whitewolf

FOSS, also Freie und Open Source Software, ist etwas das wir teilen. Das heißt: Für jedes Programm das angeboten wird, existiert auch ein frei verfügbarer Quellcode. Zu diesem Quellcode können Sie Verbesserungen, Erweiterungen, Funktionen o.ä. hinzufügen, oder Sie können das Programm sogar so umschreiben, daß man es als neues Programm bezeichnen könnte. Das ist die Freiheit, die normalerweise gemeint ist, wenn der Begriff „Freiheit“ im Zusammenhang mit Software diskutiert wird. Es ist zweifelsohne eine sehr wichtige Freiheit, da diese Freiheit Verbesserungen und Neuentwicklungen im Softwarebereich fördert. Es gibt allerdings noch einen anderen Aspekt zu dieser Freiheit, und das ist, diese Freiheit selber zu teilen.

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Freiheit die man zu stark festhält wird proprietär. Das Teilen von Freiheit muß genauso frei wie der Zugang zum Quellcode sein um vollständig zu sein. Beim Teilen von Freiheit tun wir so viel mehr als nur Zugang zum Code zu verschaffen, wir vermitteln einen Zugang zu einer Lebensart und einer Philosophie.

Es mag vielleicht hart für diejenigen unter uns sein, die alles in Begriffen wie Eigentum verpacken, aber wenn wir unsere Kreationen und unsere Kreativität nicht teilen, dann verlieren wir eher als daß wir gewinnen. Der Schöpfer von Software ist ein Künstler. Einige Schöpfer schließen Ihre Kreationen als „Geistiges Eigentum“, das es zu beschützen gilt, weg. Andere veröffentlichen ihren Code gerne, um ihre Kreativität unter Beweis zu stellen.

Sie können beide Standpunkte in der Welt der Softwarekreation antreffen. Der Unterschied zwischen den beiden ist, daß der Schöpfer von proprietärer Software das Gefühl haben muß seine Kreation zu besitzen, während der Open Source Programmierer seine Kreativität besitzt. Eine Kreation zu besitzen, ganz besonders nachdem sie zu einer anderen Person übergegangen ist, schafft eine Verneinung von Rechten und Freiheiten. Seine Kreativität teilen schafft eine Atmosphäre von Freiheit, in der Veränderungen, von der kleinsten bis zur größten, als Akt freier Kreativität gesehen werden können.

Wenn ein neues Haus gebaut wird, dann kann der Erbauer dem Käufer auch nicht vorschreiben, niemals Veränderungen an dem Haus durchzuführen. Es darf nicht gestrichen werden, keine Räume dürfen hinzugefügt werden, keine Armaturen dürfen durch andere oder neuere ausgetauscht werden, und man dürfte das Haus niemals wieder verkaufen? Würde der Verkäufer solche Dinge verlangen, der Durchschnittskäufer würde sich ganz schnell woanders nach seinen häuslichen Bedürfnissen umschauen. Sein Haus entsprechend seinen Bedürfnissen und seines Geschmacks einzurichten, wird, neben dem Recht das Haus weiterzuveräußern, als gutes Recht eines Hauseigentümers angesehen.

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In der Softwareindustrie hingegen begegnet man allenthalben denjenigen, die Eigentumsrechte und strikte Kontrolle über ihre Software behalten wollen. Solche Leute wollen ihren Code am liebsten wegsperren um den Verlust zu verhindern, und ein Weiterverkauf darf ja schon gar nicht zugelassen werden. So etwas zuzulassen würde ja bedeuten eine Einkommensquelle zu verlieren. Je öfter man die Software mittels einer Lizenz verkaufen kann, desto größer wird der Profit.

In der Welt der offenen Quellcodes sieht die Zukunftsperspektive hingegen ganz anders aus. Ist die Software nützlich und gut, dann kann man entweder einen Servicevertrag abschließen, oder dem Entwickler eine Spende zukommen lassen. Dies motiviert, die Software auf einem so hohen Niveau wie möglich, in Bezug auf Nützlichkeit und Qualität, zu halten. Jeder kann etwas hinzufügen oder etwas verändern, und diese Veränderungen können dann auch geteilt werden, da jeder Schöpfer nur seine eigene Kreativität besitzt. Alles andere wird mit jedem geteilt, der mal einen Blick riskiert. Die gemachten Veränderungen können den Wert der Software erhöhen, und das Programm für manche Menschen nützlicher gestalten. Dann wird es zu einem neuen Werk, das auf einem alten Werk basiert. Dieses neue Werk kann einfach wie eine neue Versionsnummer unter demselben Namen sein, oder, falls die Unterschiede groß genug sind, unter einem neuen Namen als eigenständiges Programm veröffentlicht werden.

Jedes Kunstwerk kann, nach Vervollständigung, von jedem der damit in Kontakt kommt angesehen werden. Der Pinselstrich des Künstlers kann untersucht und kopiert werden, man kann davon lernen und die Technik emulieren, und vielleicht bestärkt oder inspiriert er so ein neues Kunstwerk. Ist ein schönes Kunstwerk hingegen weggeschlossen, dann haben alle, die davon inspiriert hätten werden können, die Möglichkeit verloren etwas zu kreieren. In diesem Fall haben wir alle verloren. Wir haben nicht nur die Ansicht des Originals verloren, sondern auch alles, was davon beeinflußt hätte kreiert werden können.

Der Grund dafür, diese Werke wegzuschließen, kann entweder Geiz oder Angst sein. Es kann aus finanziellen Erwägungen heraus geschehen. Die Gründe sind aber nicht so wichtig wie der Verlust selber. Geiz kann die Brieftasche einer Person füllen, aber er tut nichts zur Erschaffung und Verbreitung der Kunst. Einige neue Werke werden vielleicht nie erschaffen oder nur mit erheblicher Verzögerung, falls wir den Verlust des Rechtes auf Ansicht erleiden.

Soweit ich weiß, hat noch kein Künstler irgendetwas gewonnen, indem er seine Kreativität weggesperrt hat. Um wirklich etwas zu gewinnen, muß jedes Kunstwerk ausgestellt werden. Das bedeutet, daß die Freiheit zu kreieren, zusammen mit der Freiheit etwas anzusehen und zu genießen, dem Künstler erst die Bereicherung verschafft. Nur auf diese Weise kann man einen Leumund als Künstler erwerben und aufrecht erhalten. Je größer und wohlverdienter der gute Ruf eines Künstlers, desto höher der Status und desto höher auch das potentielle Einkommen.

Was hat all das nun mit dem Teilen von Freiheit zu tun? Denken Sie nur einen Moment darüber nach: wenn Sie die Freiheit, die sie genießen, nicht an andere weiter geben, haben sie Ihre Freiheit verdient? Oder haben Sie sich nicht vielmehr nur das Etikett „Freiheit“ aufgeklebt, ohne allerdings die verschlossene Welt von Eigentum zu verlassen?

Freiheit bedeutet nur wirklich Freiheit, wenn sie auch weiter gegeben wurde. Wir können unsere Freiheit teilen, oder wir können uns einsperren und uns hinter den Einschränkungen, die wir uns selbst auferlegen, verstecken.

Zum Abschluß noch einmal: Laßt uns unsere Freiheit teilen. Durch Teilen werden wir noch freier.

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