Bericht: Linux Distribution für Kinder

von Lea Hudson

Mein drei Jahre alter Sohn kann nicht widerstehen mit meinem Rechner zu spielen, ganz egal, ob ich dabei bin um ihn daran zu hindern auf der Tastatur rumzuhacken und auf alles Sichtbare zu klicken oder nicht. Eine Sache kann ich Ihnen jetzt schon verraten: das geht niemals gut mit Windows. Ich habe einige einfache erzieherische Programme für ihn in Windows geschrieben, aber nachdem ich von einer Linux-Distribution speziell für Kinder gehört habe, beschloß ich etwas auszuprobieren.

Ich habe drei verschiedene Linux-Distributionen berücksichtigt: PCLinuxOS, Kidsafe, Edubuntu und FreeDuc.

Ziel: Eine Linux Distribution zu finden, die ein sicheres Umfeld für meinen Sohn darstellt. Ganz besonders schaue ich dabei auf eine einfache Installation, ein sicheres und kinderfreundliches GUI, ein restriktiver Internetzugang und eine vernünftige Bandbreite an Spiele-Software. Es war schwer unvoreingenommen an die Sache heranzugehen, aber ich habe versucht mit meinen Kommentaren so objektiv und konstruktiv wie möglich zu sein.

Test PC: Compaq Deskpro PIII 1GHz mit 256MB RAM, einem19" Iiyama CRT Monitor, eine alte 3Com Netzwerkkarte die ich noch herumliegen hatte, eine generische Windows-Tastatur sowie eine billige optische Genius-Maus. Die 20GB Festplatte war als ext3 partitioniert, ein GB für Swap, der Rest für root. Grafik und Sound kommen direkt vom Motherboard.

PCLOS Kidsafe 0.21-beta Ein schneller, netter Download, auf CD gebrannt, und los geht’s. Die erste Option, die mir ins Auge stach war, entweder zur Live-CD oder im Installationsmodus zu booten. Ich wählte letzteres, da ich schon Erfahrungen mit PCLinuxOS hatte, und außerdem zuversichtlich war, daß die Hardware keine Probleme bereiten würde. Ich loggte mich als root ein da ich installieren wollte, bemerkte dann aber andere Optionen, bei denen man sich als „Gast“ oder auch „kindersicher“ anmelden konnte.

Die bekannte KDE Arbeitsfläche mit den Standard-PCLOS-Symbolen am oberen Rand erschien, als Hintergrund ein gefällig anzusehendes Weizenfeld mit einem stürmischen Himmel. Ich erspare Ihnen die Details, es genügt wenn Ich Ihnen sage, daß ich PCLOS Kidsafe in 35 Minuten installiert hatte, danach beschloß den „Gast“-Zugang zu löschen und den Rechner neu hochgefahren habe.

Danach entschloß ich mich dazu, im voreingestellten „kindersicheren“ Modus anstatt in root einzuloggen. Plötzlich sah alles sehr anders aus! Sofort öffnete sich Firefox und zeigte eine Seite mit vielen erzieherischen und unterhaltsamen Webseiten für Kinder an, inklusive aller Verknüpfungen. Es gab auch Seiten mit einer kurzen Übersicht über diese Ausgabe, wie man es installiert oder remastert, und wie man den Autor kontaktieren kann. Sehr nett.

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Doch immer der Reihe nach. Da Firefox schon mal offen war, suchte ich gleich nach der Webseite „Astalavista“ (hacking, cracking, exploits u.ä.). Als Ergebnis kam „Seite blockiert“. Gut, weiter zu Google. Die Suche nach Bildern mit ein paar unanständigen Suchwörtern führte zu nichts: „Seite blockiert“. Tatsächlich hatte ich einige verschiedene Sachen probiert, kam aber niemals zu einer pornographischen oder bösartigen Webseite durch. Ich bin mir bewußt, daß das durchaus nicht die streng wissenschaftliche Methode ist etwas zu tun, aber zugegeben, daß ich nur eine begrenzte Zeit hatte um die Distro zu testen, erschien mir die Sicherheitsstufe als hoch genug. Ein Werbeblocker sowie ein Pop-up-Blocker waren nicht installiert. Durch die Verwendung von Filtersoftware bleibt offen, ob das ein Problem darstellt, allerdings wäre mir etwas wohler mit einigen zusätzlich installierten Firefox-Erweiterungen. Ich bezweifle, daß es bei genügend Ausdauer unmöglich wäre die Filtersoftware (Dansguardian) zu umgehen, aber es gibt Eltern Seelenfrieden, wenn vernünftige Maßnahmen getroffen wurden um die Kinder zu schützen. Sehr beeindruckend.

Als nächstes überprüfte ich die installierte Software und die zur Verfügung stehenden Menü-Einträge. Ich denke, es muß schwer sein zu entscheiden, welche Programme in so einem Remaster angeboten werden sollen, da die Auswahl an Programmen für Kleinkinder sich doch sehr von den Programmen für ein Schulkind unterscheidet. Meiner Meinung nach ist die Zahl der Programme für Vorschulkinder bei Linux sehr begrenzt. Die angebotene Auswahl war gut: Ein Texteditor statt einem kompletten Wordprozessor, einige Applikationen und Spiele speziell für Vorschulkinder, und verschiedene wissenschaftliche und schulähnliche Programme für die Älteren. Es gibt auch sehr viele typische Linux-Spiele um sie zu beschäftigen. Was ich gerne bei zukünftigen Ausgaben hinzugefügt wissen würde, wäre ein Media-/mp3-Player.

Auffallend war das Fehlen aller anderer Standard-Menüeinträge die man normalerweise sieht. Außer den oben angeführten Programmen kann man in PCLinuxOS Kidsafe praktisch nur die Arbeitsfläche konfigurieren. Dafür war ich sehr dankbar. Mit CTRL, ALT, F1 usw. konnte ich die Shell aufrufen. Ich weiß nicht ob es möglich oder ratsam ist den Nutzer von der Shell auszusperren (im Falle eines Programmabsturzes oder ähnlichem), daher an dieser Stelle keine Beschwerden. Eine Tastenkombination wie diese wird sehr unwahrscheinlich aus Versehen eingegeben, und ohne dem root-Passwort kann das Kind in der Shell sowieso nur kleinere Schäden anrichten.

Eigentlich erwartete ich, daß Linux mit KDE auf diesem alten Computer sehr langsam laufen würde, aber es läuft sehr gut. Alles funktionierte, und alle Programme öffneten sich schnell. Ein oder zwei Titel waren etwas langsam auf dem Bildschirm darzustellen, aber das lag an der On-Board-Graphik und den langsamen Rechner-Bestandteilen.

Geignetes Alter: 3+. Gut um mit dem Mauszeiger zu spielen und auf alles zu klicken, zufällige Zeichenfolgen in der Tastatur einzugeben, und mit den Spielen und dem Malprogramm zu spielen. Auch ältere Kinder (bis zu zehn Jahren) langweilen sich durch die etwas fortgeschritteneren Spiele und durch schulische Applikationen nicht zu schnell. Allerdings sagt Brian auf seiner Webseite, daß diese Distro für jüngere Kinder gedacht ist. Das Fehlen einer Office-Suite ist wahrscheinlich ein Beweis dafür.

Schlußfolgerung: Ich muß diese Distro noch zusammen mit meinem Sohn an der Tastatur ausprobieren, aber darauf freue ich mich schon, und ich glaube, mein Sohn wird auch eine wundervolle Zeit haben. Generell werden Kinder nicht in der Lage sein Schaden am Betriebssystem anzurichten, sofern man als „kidsafe“ eingeloggt ist und ihr Internetzugang eingeschränkt wird. Um die Distribution abzurunden, sollte, meiner Meinung nach, noch ein Mediaplayer aufgenommen werden. Betrachte ich allerdings die Versionsnummer dieser Distribution, dann kann ich mich nicht beklagen. Sie erfüllte alle von mir gestellten Anforderungen, war (typisch PCLOS) sehr einfach zu installieren, und erkannte die komplette Hardware ohne Fehler. Sehr empfehlenswert!

Edubuntu 6.06 - Nach einem schnellen Download benötigte Dapper Drake fast zwei Stunden zum Installieren. Sogar mit einer relativ langsamen Festplatte erschien mir das für eine Installation von einer CD als zu lang. Glücklicherweise ging alles gut. Ich glaube nicht, daß ich die Geduld aufbringen würde das gleiche nochmal durchzumachen. Das war wohl die längste Linux-Installation, die ich jemals gesehen habe, und gleichzeitig auch das erste Mal, das ich die IP-Adresse selber eingeben mußte. Alle anderen Distributionen die ich benutzt habe, wählten eine aus dem DHCP Kontingent. Das stellt kein größeres Problem dar, vorausgesetzt man kennt seine Netzwerkeinstellungen.

Nachdem auf der Edubuntu Webseite steht, daß diese Distribution für die Benutzung im Klassenzimmer gedacht ist, dachte ich, eine eingeschränkte, voreingestellte Version für die Benutzung durch Kinder vorzufinden. Das war nicht der Fall. Ich loggte mich mit dem Benutzernamen ein den ich während der Installation einrichten mußte, und war sehr überrascht, daß ich Zugang zu allen Menüeinträgen hatte, inklusive Systemkonfigurierung und anderer Programme, die nicht für Kinder zum Spielen gedacht sind. Natürlich müßten Sie für wirklich kritische Sachen über einen root- Zugang verfügen, aber ich glaube, die gesamte Menüauswahl zugänglich zu lassen läßt den Kindern zu viele Möglichkeiten Sachen zu verbocken.

Nach einem kurzen Blick auf die aufgeräumte Gnome-Arbeitsfläche öffnete ich Firefox. Überraschenderweise konnte ich jede beliebige Webseite aufrufen. Ich ließ durch Google die URL für Astalavista suchen, und suchte wieder mit denselben Suchbegriffen in Google Bilder. Astalavista wurde von Google angezeigt, auch die eigentliche Webseite ließ sich ohne Probleme öffnen. Ich fand mit Google auch einige sehr interessante Bilder! Kein guter Anfang. Wenn das eine Distro für Kinder sein soll, dann muß es doch irgendeine Art von Filtersoftware geben? Werbe- und Pop-up-Blocker waren auch nicht vorhanden, wie ich nach Öffnen der Astalavista-Webseite feststellen mußte. Das ist doch sehr enttäuschend, bedeutet es doch, daß deie Eltern oder der Lehrer Zeit damit verbringen muß Sicherheitseinstellungen zu konfigurieren und Firefox Erweiterungen einzurichten, um den Zugang kindgerecht zu limitieren, sowohl online als auch offline. Vielleicht erwartete ich einfach zu viel, aber ich glaube nicht, daß es zu schwer für den Schöpfer dieses Remaster sein dürfte, diese notwendigen Optimierungen hinzuzufügen.

Die Auswahl an Software unmittelbar nach der Installation ist gut, mit einigen netten Programmen wie z.B. gCompris für jüngere Kinder. Es gibt auch genug Spiele und erzieherische Programme um Kinder für eine Weile zu beschäftigen. Eine Inkonsistenz ist , daß viele Menüeinträge mit Tips versehen sind wozu das Programm benutzt werden kann, während einige andere das nicht haben. Der Name eines Programmes erklärt nicht unbedingt wozu dieses Programm dient, und sogar nachdem man einige dieser Programme öffnet, bleibt der Zweck eben dieser Programme immer noch vollkommen unklar (z.B. Keduca und Kverbos). Das ist allerdings mehr eine Einschränkung durch die Namensgebung unter Linux als die Schuld der Entwickler.

Edubuntu war merklich langsam auf dem Test-PC. Ich bin mir nicht sicher, ob das an der Benutzung von Gnome oder den nicht gerade Spitze zu nennenden Systemspezifikationen liegt. Eigentlich lag es im Betriebsverhalten auf so einem alten Rechner gleichauf mit Windows XP (ebenfalls getestet), und verursacht keine größeren Probleme. Falls ich in 512Mb RAM investieren würde, würde es vermutlich auch viel schneller laufen.

Geeignetes Alter: Ich muß sagen, daß die Software, wegen gCompris, etwas besser für jüngere Kinder geeignet ist. Inhaltlich gesehen kommen Kinder von drei Jahren und darüber voll auf ihre Kosten. Ohne elterliche Aufsicht ist diese Distribution aber für keinerlei Kind geeignet, sobald der Rechner mit dem Internet verbunden ist.

Schlußfolgerung: Diese Distro verfügt über eine gute Auswahl an Software für Kinder, bietet aber keinerlei Einschränkungen im Menü, so daß alle Programme aufgerufen werden können; Für mich stellt das ein Problem dar. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, in welcher Beziehung diese Distribution besonders für Kinder zugeschnitten sein soll. Außer, daß einige edukative/wissenschaftliche Programme sowie einige Spiele hinzugefügt wurden sowie ein  Weltkarten-Hintergrundbild, sieht diese Distro genauso aus wie jede andere Distro mit Gnome. Das Fehlen jeglicher Restriktionen im Internetzugang, von Werbe- und Pop-up-Blockern sowie dem uneingeschränkten Zugang zu allen Menüpunkten ist, besonders im Licht der Zielgruppe, vollkommen unakzeptabel. Ich wäre mit einem besonderen Benutzerkonto speziell für Kinder glücklicher gewesen. Ich kann diese Distro nicht für die Benutzung durch Kinder empfehlen, es sei denn sie befinden sich unter permanenter elterlicher Aufsicht.

Freeduc 1.5 Freeduc basiert auf Knoppix, und ist für den Gebrauch im Klassenzimmer vorgesehen. Ich habe die Grundschulversion („Primary School Version“) heruntergeladen.

Ich bootete die Live-CD, und wurde kurz darauf von einer XFCE-Arbeitsfläche begrüßt. Ich hatte niemals so eine Arbeitsfläche gesehen, war aber vom Layout und dessen Geschwindigkeit angenehm überrascht. Es lief sehr schnell auf meiner Kiste. Als Hintergrundbild war ein Cartoon eines Jungen zu sehen, Hand in Hand mit einem Pinguin und einem Gnu. Die Leiste am unteren Bildschirmrand zeigte eine Anzahl von Symbolen und drei virtuelle Arbeitsflächen. Ich begann alles was sichtbar war zu öffnen, und stieß ziemlich bald auf ein Problem: das ganze Ding war in Französisch. Laut DistroWatch ist diese Distro in Französisch und Englisch. Die offizielle Seite ist in Englisch, aber damit hört es offensichtlich auch schon auf.

Unverzagt startete ich den Rechner neu, und benutzte einen Mogelcode um die Sprache auf englisch umzustellen. Das funktionierte nicht. Die gesamte Software und die gesamte Dokumentation die ich öffnete waren immer noch in Französisch.

Da ich keinen Login gesehen habe, versuchte ich das Hauptmenü (zugänglich durch einen Rechtsklick auf die Arbeitsfläche) um herauszufinden, was alles installiert ist: augenscheinlich alles. Es sieht so aus, als ob diese Distro den Benutzer als root einloggt, mit vollem Zugriff auf die Systemkonfiguration und vollem Internetzugang. Auf der Webseite heißt es, daß es wahrscheinlich eher der Lehrer ist, der den Internetzugang benötigt, aber ich war doch bestürzt darüber, daß einem Grundschulkind root-Privilegien eingeräumt wurden. Ist es nicht sogar für Erwachsene ein Kardinalsfehler sich als root einzuloggen? Dies einem Kind zu erlauben, heißt nach Ärger zu fragen. Und warum heißt diese Distro „Grundschulversion“? Wer genau ist hier die Zielgruppe? Ich bezweifle, daß irgend ein Lehrer seine Schüler mit so etwas auf dem PC installiert unter Kontrolle halten kann. Das ist eine Zeitbombe. Wenn es für den Lehrer gedacht ist der nur einen PC hat, und der nur mit einer kleinen Gruppe von Kindern mit den erzieherischen Programmen arbeitet, dann sollte das auf der Webseite deutlicher gesagt werden.

Da ich nicht gut Französisch spreche, habe ich relativ schnell aufgegeben.

Geeignetes Alter: Schwer zu sagen. Für kleine Gruppen streng überwachter französischer Kinder ist diese Distro vermutlich sehr gut!

Schlußfolgerung: Das GUI ist sauber, schnell und intuitiv. Meine Hardware wurde gut unterstützt. Zur Eignung muß gesagt werden, daß diese Distro nicht so recht weiß, für wen sie eigentlich gedacht ist. Entweder das, oder ich habe die Kommentare auf der offiziellen Webseite mißverstanden. Es ist bis zum Hochstarten nicht klar, daß eine englische Betriebsumgebung nicht angeboten wird, und automatisch als root eingeloggt zu werden hat keinen Sinn, wenn die Distro eigentlich für Kinder gedacht ist. Ich kann diese Distro nicht empfehlen, da sie schlichtweg fast keiner meiner Anforderungen gerecht wird.

Nach einigen Monaten an Versuchen mit vielen Distros, ist PCLOS schlußendlich die Distro für mich. Die erste Mini-Besprechung wird über das „Kidsafe“-Remaster von PCLOS durch Brian „wizard“ Burns sein.

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