mv elitism >> /dev/null

Derrick Devine <devnet>
Der Originalartikel kann hier gelesen werden: http://linux - blog.org

Am Anfang war Open Source über allem und jedem. Ich erinnere mich daran, wie ich 1993 einem IRC-Kanal (Internet Relay Chat) im Efnet beigetreten bin, und dort mit Leuten gechattet habe, die mit Ihren Rechnern Dinge wahr werden lassen konnten. Coder, Manager, Hacker - alle waren Sie dabei, und ein eng gestricktes Netz von ca. sechs Leuten blieb für sieben Jahre miteinander in Kontakt, bis wir IRC weniger und weniger benutzten und jeder seiner eigenen Wege ging. Woran ich mich am meisten erinnere ist, daß, als ich zu dieser kleinen Gruppe dazu stieß, ein totaler n00b war. Nicht nur ein n00b in Sachen Open Source, sondern ein n00b in jeder Beziehung zu Rechnern. 1985 hatte ich einen Texas Instruments Rechner, mit dem ich allerdings bloß ein Jahr herum gespielt habe. Mäuse waren etwas Neues für mich, und ich wußte eigentlich gar nichts. Als ich begann auf dem IRC zu chatten, wurde mir gezeigt, wie man etwas machen kann. Ich konnte mich immer darauf verlassen, daß die Jungs und Mädels aus dem Kanal mein Problem innerhalb weniger Minuten gelöst haben. Diese Leute stiegen lange genug von ihrem Podest herunter, um mich in Open Source einzuweisen.

Ich erinnere mich gerne zurück und spreche auch gerne darüber. Nicht daß ich denke, daß es so etwas jetzt nicht mehr gibt, aber ich glaube, daß so etwas sehr selten geworden ist. Es gab mal eine Zeit, in der es der "Open Source Geist" war, das Programm oder die Anwendung an der man arbeitete voran zu treiben. Jetzt scheint es so zu sein, daß, wenn ein neuer Benutzer auf irgendeinem Kanal des IRC oder in einem Forum auftaucht, er erstmal mit einem herzlichen RTFM (Read the "friendly" manual) begrüßt wird, bzw. mit einer schnippischen Antwort oder einer unlustigen Beleidigung abgespeist wird.

Wo kommt dieser Elitismus her? Seit wann dreht es sich bei Linux und Open Source um die "das mußt du beherrschen um mitmachen zu dürfen"-Mentalität? Es tut mir direkt weh, wenn ich sehe, wie manche das neuen Benutzern antun - und sich von potentiellen Advokaten von Open Source, noch dazu enthusiastischen, distanzieren. Es spricht sehr viel für manche dieser neuen Benutzern, wenn sie, trotzdem sie von Elitisten in den Foren zur Sau gemacht wurden, immer noch Open Source und Linux benutzen wollen.

Ich bin mir ziemlich sicher, daß einige von Ihnen jetzt sagen werden, daß so etwas bei ihren Anwendungen/Projekten/Gemeinschaften nicht vorkomme. "Wir sind offen für alle neuen Benutzer -erfahren oder nicht". Das hört sich für mich wie das Nirwana an. Ich fordere Sie auf, Ihre Gemeinschaft etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, und, falls Sie Elitismus begegnen, ihn zu eliminieren. Da ich persönlich an einigen Gemeinschaften von größeren Linux-Distributionen (sagen wir einfach, es waren größere Debian- und rpm-basierte Distros) teilgenommen habe, kann ich Ihnen sagen, daß, trotz angekündigter "Neuer-Benutzer-Freundlichkeit", bei den meisten ein größerer oder kleinerer Anteil von Elitisten in den Hilfe-Kanälen unterwegs war.

Für Elitismus ist in Open Source kein Platz. In Open Source kann jedermann den Quellcode eines Programmes ansehen - jedermann. Es gibt keine elitären "Country Clubs" für Open Source, man muß nicht bezahlen um aufgenommen zu werden. Es gibt keine Qualifikationen um an Open Source teilnehmen zu können. Nachdem es keine Maßstäbe gibt, warum werden neue Benutzer und andere, mit limitiertem Wissensstand, von manchen Leuten an solchen Maßstäben gemessen?

Es ist von gegenwärtigen "Experten" oder Entwicklern lächerlich, neuen Benutzern Hilfe oder Informationen mit dem Hinweis "die müssen das von Anfang an richtig lernen" zu verwehren. Warum? Weil nicht jeder auf die gleiche Art und Weise lernt. In der Vergangenheit waren die einzige Leute die Linux benutzten solche, die sich stapelweise durch Dokumentationen wühlten. Es herrschte mehr eine "Coder"-Atmosphäre unter denjenigen, die sich um das Open Source-Banner scharten. Spulen Sie zu heutigen Lernenden vor, und Sie werden viele Unterschiede bemerken. Unter anderem wird Ihnen der Typ des "visuellen Lerners" begegnen.

Der visuelle Lerner lernt durch Beispiele und durch Beobachtung von Geschehnissen. Auf diesem Gebiet hat es im Internet sehr viele Verbesserungen gegeben. Heutzutage gibt es Webseiten mit eingebetteten Videos, Flash Tutorials, und Audio-Blogs mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und How-tos. Trotz all dieser Technologie werden neue Benutzer immer noch auf die alte Lernstraße geschickt. "RTFM" oder "benutze' die Suchfunktion". Was ist, falls das für die betreffende Person nur ungenügend ist? Was, wenn die betreffende Person Dinge nicht auf diese Art und Weise lernen kann? Was, wenn Sie etwas mit eigenen Augen sehen müssen?

Abschließend muß gesagt werden, daß wir unseren Weg, Fragen in Foren und in Chats zu beantworten, neu überdenken müssen. Ich fordere jeden Einzelnen von Ihnen auf, über Ihre Antworten auf Fragen von neuen Benutzern oder Benutzern mit limitiertem Kenntnisstand nachzudenken. Indem wir solchen Leuten helfen Wissen in einer anderen Art und Weise zu erwerben, können wir entscheidend dazu beitragen einen neuen Freund von Open Source zu kreieren - oder, durch Unterlassung, einen Feind.

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